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Stellungnahme von Schöneberg Hilft e.V. zur Situation der Geflüchteten im AKUZ Tegel, insbesondere zur Situation der Kinder und Jugendlichen

In der gestrigen Beratung dieses Themas im Ausschuss für Bildung, Jugend und Familie des Abgeordnetenhauses (15.2.2024) wurde das Projekt „Willkommensschule TXL“ durch die zuständige Senatorin vorgestellt und mit den Abgeordneten diskutiert. Dazu wurden u.a. folgende Informationen gegeben:

  1. Unter den ca. 6.000 Geflüchteten (Schwerpunkt Ukraine) die dort leben, befinden sich nach Angaben der Senatsverwaltung 843 schulpflichtige Kinder und Jugendliche ohne Schulbesuchsmöglichkeit. Da in Berlin insgesamt derzeit ca. 20.000 Schulplätze fehlen, wird keine Möglichkeit gesehen, in den Bezirken kurzfristig neue Schulplätze zu schaffen oder Willkommensklassen einzurichten.
  2. Die Verwaltung hat daher die räumlichen Voraussetzungen geschaffen, um auf dem Parkplatz 10 aktuell 130 Schulplätze in Willkommensklassen einzurichten, die Zahl der Schulplätze soll in den nächsten Wochen auf 300 aufgestockt werden. Perspektivisch sollen im ehemaligen Air-Berlin-Gebäude am Saatwinklerdamm weitere Klassenräume hergerichtet werden.
  3. Der Unterricht wird durch neueingestellte Lehrkräfte erteilt, insgesamt sollen ca. 50 Lehrpersonen für diese Schule eingestellt werden, darunter auch Tandemlehrkräfte mit Ukrainisch als Erstsprache. Ergänzt wird das Personal durch Verwaltungskräfte, Schulpsychologen und Kooperationsangebote mit freien Trägern.
  4. Die Senatorin hat zum Ausdruck gebracht, dass sie das neue Angebot als eine vorübergehende, aber notwendige Maßnahme betrachtet und hofft, dass es zum Jahresende 2024 gelingt, die Zahl der in Tegel untergebrachten Geflüchteten deutlich zu reduzieren und alternative, dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen.

Aus der Perspektive von Schöneberg Hilft e.V. wird die aktuelle Situation in Tegel wie folgt bewertet:

  1. Das Ankunftszentrum Tegel ist ein Un-Ort, wo Menschen abgeschottet und unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen. Die Existenz dieser Unterkunft mit bis zu 7.000 Plätzen ist Ausdruck einer Fehleinschätzung der politisch Verantwortlichen früheren und aktuellen Regierungskoalitionen, die es versäumt haben, rechtzeitig dauerhaft dezentrale und integrationsförderliche Unterbringungsmöglichkeiten in ausreichender Zahl zu schaffen.
  2. Insbesondere für Kinder und Jugendliche ist Tegel kein kindgerechter Ort, präventiver Kinderschutz ist unzureichend verankert. Fehlende Bildungs- und Schulangebote sind Ausdruck des Versagens der jeweils zuständigen staatlichen Stellen, der verfassungsgemäßen Pflicht nachzukommen, jedem Kind in dieser Stadt, unabhängig von seinem Status, das Recht auf Schutz und Bildung zu garantieren.
  1. Die Situation massenhaft fehlender Schulplätze und eines strukturellen Mangels an ausgebildeten Lehrkräften und PädagogInnen ist kurzfristig nicht zu lösen, gleichwohl muss der Senat dafür Sorge tragen, dass diese Defizite des Schulsystems so schnell wie möglich behoben werden. Bis dahin werden allerdings noch Jahre vergehen, in denen den betroffenen Kindern und Jugendliche trotzdem das Recht auf Bildung nicht verwehrt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist es in letzter Konsequenz richtig und notwendig, mit temporären Sondermaßnahmen wie einer „Willkommensschule“ in Tegel strukturgebende Bildungsangebote aufzubauen und Alternativen zu schaffen. Aus der Perspektive der Kinder und Jugendlichen und ihrer Eltern ist so ein Angebot besser als der aktuelle Zustand!
  1. Allen Beteiligten sollte klar sein, dass diese Bildungs- und Betreuungsangebote vor Ort als Notlösung zu verstehen sind und kein gelungenes Integrationsangebot darstellen. Allerdings bieten sie auch Chancen der Entlastung für die Eltern und stärken die individuelle Entwicklung der Kinder und Jugendlichen. Möglichst gut qualifiziertes pädagogisches Personal, die Vernetzung mit staatlichen und nicht-staatlichen Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe und eine offensive Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Angebote können helfen, die schwierigen Lebensverhältnisse vor Ort abzumildern und Entlastung schaffen. Beim Aufbau der Bildungsangebote in Tegel muss darauf geachtet werden, dass diese diskriminierungsfrei allen zur Verfügung stehen und auch vorhandene fachliche und pädagogische Kompetenzen der Geflüchteten aktiv einbezogen werden.
  1. Organisationen wie Schöneberg Hilft e.V., die sich der Integration geflüchteter Menschen verpflichtet fühlen, werden die geplanten Maßnahmen daher kritisch und konstruktiv begleiten, vor allem aber darauf achten, dass diese Notlösungen sich nicht dauerhaft verfestigen! Bildungspolitisch muss auf Bezirks- und Senatsebene intensiv daran gearbeitet werden, weitere Angebote der dezentralen Beschulung zu schaffen. Das politische Ziel muss weiterhin darin bestehen, solche temporären Maßnahmen so schnell wie möglich überflüssig zu machen, indem dezentrale Wohn- und Unterbringungsmöglichkeiten organisiert werden.