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Politisches Engagement verschiedene Reden

Rede zur AFD Abschlussveranstaltung Wahlkampf Berlin 2023

Einfach mal dagegen sein. Einfach verbal draufhauen auf die Schwachen. Einfach mal laut sein. Damit die anderen Angst haben. Damit man stark ist. Damit man laut ist.

Einfach mal wütend sein, einfach mal gemein sein, einfach mal hassen.  Denn Hass tut gut! Man geht so richtig aus sich raus. All die Angst, all der Neid, all die Einsamkeit, das ist wie – sich besaufen. Und man kann ja jederzeit aufhören, nicht wahr? Man hat die Kontrolle? Und dann kann man es den anderen so richtig zeigen, die die dir alles weg nehmen und dir alles kaputt machen. Man zeigt es den Frauen, den Queeren, den Politiker*innen, den Menschenrechtler*innen, dem Genderwahnsinn, und den Menschen auf der Flucht und auf der Suche nach Asyl.

Darauf noch einen, und noch einen, und wenn du dir denkst, ich kann ja mal AFD wählen – nur so aus Protest. Nur so, weil die anderen nichts auf die Kette kriegen. Nur weil mans ja mal DENEN und DENEN und DENEN zeigen will… Bist du sicher, dass du wieder aufhören kannst?

Mal ehrlich, kennst Du nicht auch einen, der auffällig wird, ne Fahne hat, oder eine schwenkt, immer etwas zu laut ist und zu viel redet – und der immer wütend wird und aggressiv, wenn man sagt, he – trink doch mal weniger? Koks doch mal weniger?

Dann kommt: KÜMMER DICH UM DEINEN SCHEISS! Die Welt ist voller Scheiße! Ich hab das demokratische Recht auch mal blau zu sein… Klar und wenn man blau ist, und voller Scheiße, dann ist man entweder ein Dixie-Klo oder die AfD.

Mal ehrlich, willst Du einen Freund, der keine Lösungen hat, der nur gegen alles ist, der so negativ ist wie ein matschig-nasser-Februar in Berlin? Willst Du einen Nachbarn, der nur häßliche, gemeine und gehässige Sachen sagt, der nur prahlt mit allem, was nicht gut ist in der Welt?

Der aber so zugedröhnt ist mit Angst und Hass, dass er nur noch Gift und Scheiße sieht – und redet? Der dich reinzieht in seine Sucht, der dich co-abhängig machen will vom Hass? Denn Hass macht einsam. Hass braucht andere Feiglinge. Du fühlst dich irgendwie als Opfer, irgendwie von irgendwas, vom Klima, vom Wetter, von Schwulen, von Fremden, komm, sauf mit!

Hass macht süchtig. Und er will mehr. Er ist ein alles verseuchender Konzern. Und er nutzt alle Tricks und Lücken. Genau wie die AFD sich immer auf Regeln und Normen beruft, wie auch Cum-Ex oder ein Steuerhinterzieher – Die AFD ist der Steuerhinterzieher der Menschlichkeit, die Schufa der Angst, das Inkassobüro der Gesetzeslücken, und sie macht sich über dich lustig, wenn sie auf die Verfassung scheißt. All die kleinen Männer und Frauen, die sich in ihren Partykellern ins Fäustchen lachen, wenn sie erstmal ein Mandat abgegriffen haben, wo sie jetzt auf deine Kosten pöbeln und weiter saufen können, und es all denen mal so richtig zeigen können, die ihnen „weiß die Hölle was“ angetan haben.

Grundrechte gelten ja auch für die, die anderen die Grundrechte wegsaufen wollen. Aber am Ende muss jeder wissen, ob man den Weg gehen will. Ob man diesen bösen, gemeinen und immer blauen Kollegen noch um sich haben will. Der so blau ist, dass ihm egal ist, keine Ideen zu haben, Hoffnungen, Wünsche, keine Energie um etwas zu ändern, auch sich selbst, für dich, für eine Stadt, für jene die überleben wollen, die saubere Kleider und eine stille Nacht wollen, ohne Bomben in der Ukraine, in Nah- und Fernost, die nicht in den von Europa über Jahrhunderten verwüsten Ländern verhungern wollen, die aus Verzweiflung sich nicht mit Hass besaufen, sondern die Hilfe suchen. Die nicht aus Angst zu Feiglingen werden und schreien, sondern die etwas versuchen, die sich nicht schämen, BITTE zu sagen.

Hass ist keine Antwort. Die Suchtis von der AFD sind keine Antwort. Antworten verlangen Solidarität. Intelligenz ist die Suche nach Gemeinschaft. Aber Angst frisst Denken. Angst füttert Dummheit. Und Angst ist nicht Berlin. Berlin ist bunt, Berlin ist Vielfalt, Berlin ist Freiheit!

Thomaspeter Goergen; Anne-Marie Braun

Rede vor dem Schöneberger Rathaus; 24.02.2023

Am liebsten würde ich hier heute gar nicht stehen. Denn in einer perfekten
Welt, in der ich wirklich gerne leben würde, gäbe es keinen Krieg, keine
Vertreibung, keine Flucht.
Seit einem Jahr aber ist der Krieg den ein lupenreiner Despot – Verzeihung –
Demokrat über ein Land in unser unmittelbaren Nähe brachte massiv hier in
Berlin zu spüren.
Aleppo, Grosny, die Krim– das war noch weit genug weg. Auch die
Übergriffe auf die queere Community in Russland – das ging uns alle ja
nichts an – oder?
2015 hat sich Schöneberg hilft als Initiative gegründet, um Menschen, die auf
der Suche nach Freiheit und Frieden hier um Hilfe bitten zu unterstützen.
Seit 2015 arbeite ich in der Geflüchtetenhilfe und begleite Neuberliner *innen bei ihren ersten Schritten in dieser Stadt. Mal mit mehr – mal mit weniger Unterstützung von Behörden, Geldgeber*innen, Mitbürger*innen. Vor ziemlich genau einem Jahr stand ich am Südkreuz und erlebte wie sich Freiwillige selbst organisierten, um Menschen aus der Ukraine in Empfang zu nehmen, Essen und warme Getränke anboten und auch Schlafplätze organisierten. Lange bevor Behörden, die Bahn, größere Hilfs-Organisationen reagierten geschweige die Dimension des Leids begriffen. Von Februar bis Juli 2022 wurden so allein am Bahnhof Südkreuz mehr als 21.000 Menschen mit dem Nötigsten versorgt – Von Freiwilligen Helfer*innen
versorgt!
Bis die sogenannte „professionelle Hilfe“ anlief und sich verstetigte vergingen
Wochen.
Da waren bereits Berliner Bürger*innen zusammengerückt um Wohnraum für die Geflüchteten Ukrainer*innen zu schaffen. Die Kirchen hatten
Gemeindesäle in Schlafräume umgestaltet und Gemeindemitglieder
kümmerten sich 24/7 um Geflüchtete, verzweifelten am Googletranslator,
kochten Suppe und spendeten Brot, Zeit und Geld. Ich nenne hier die
Gemeinde zum guten Hirten als Beispiel für viele andere.
Ich bin gebeten worden heute zu beschreiben was ich in diesem letzten Jahr
erlebt habe und was ich mir wünschen würde als Helferin.
Ich habe Menschen kennengelernt. Nette Menschen, weniger nette
Menschen, verzweifelte Helfer*innen, überarbeitete Übersetzer*innen,
Wärme und Hilfsbereitschaft von Berliner*innen und viel Mitgefühl. Ich habe Geflüchtete aus Afghanistan oder Syrien gesehen, die an den Ankunftsstellen die Menschen begrüßten mit den Worten „ich weiß wie Du dich fühlst, hier nimm, erst einmal eine Tasse warmen Tee“. Ich habe Chaos erlebt und Desorganisation aber auch einige – wenige- Pragmatiker*innen und Logistiker*innen kennengelernt. Ich bin fasziniert von einer ganz neuen, klugen feministischen Sichtweise auf die Dinge, die ich von den Ukrainer*innen der Allianz der ukrainischen Organisationen lernen durfte. Ich habe ein bisschen mehr erfahren über die bunte und vielfältige ukrainische Kultur und ich bin unfassbar dankbar für diese Begegnungen. Ich glaube ich habe in diesem Jahr mehr gelernt, als in meiner kompletten Schulzeit. Und die war lang – ich habe eine Ehrenrunde gedreht….

Heute versorgen wir auch noch mit dem nötigsten – Zurzeit hauptsächlich Hilfe bei Anträgen und Behördenchaos. Heute erlebe ich Mitgefühl und Hilfsbereitschaft aber auch Ermüdung, Verzweiflung und das „nicht gesehen werden“ der Schutzsuchenden und der Helfer*innen.
Ich erlebe den tagtäglichen Behördenwahnsinn, den unfassbar riesigen
Papierwust, der mich schier in die Verzweiflung treibt – wie geht es erst den
Menschen die hier Schutz suchen?
Ich erlebe resignierte, unwissende aber auch nette Sachbearbeiter*innen, ich erlebe viele verzweifelte Menschen, auf beiden Seiten des Behördentresens, die alle Opfer des Berliner Behörden Pingpongs sind. Ich erlebe Ignoranz und Arroganz, aber auch Verständnis und Wärme – das komplette Programm eben. In den letzten Monaten hat sich gezeigt, dass das Berliner Schulsystem einerseits in der Lage war mehr als 7000 ukrainische Kinder und Jugendliche kurzfristig in unser öffentliches Schulsystem zu integrieren, andererseits aber erhalten hunderte Kinder und Jugendliche zurzeit noch kein Schulangebot. Ihr Recht auf Bildung und Betreuung wird also nicht eingelöst. In dieser Situation hat es Schöneberg hilft e.V. ein überwiegend ukrainisches Unterrichtsangebot geschaffen, bei dem ukrainische Lehrkräfte diese Schüler*innen betreuen und unterrichten. Dies ist mit Unterstützung des Bezirksamtes und dem Geld der Bertelsmann und der Boschstiftung möglich.
Notwendig wäre es aber, dass solche Angebote in diesem Jahr ausgeweitet
und durch die Senatsverwaltung für Bildung finanziert werden, solange bis
unser Schulsystem in der Lage ist allen geflüchteten Kindern und
Jugendlichen gute Betreuungsangebote zu machen.
Was ich mir wünsche ist klar: Ich wünsche mir vereinfachte, nachvollziehbare
und auch mehrsprachige Anträge.
Ich wünsche mir mehr Raum! Mehr bezahlbaren Wohnraum, für alle
Berliner*innen, mehr Schulräume für Kinder, und die Lehrer*innen dazu. Ich
wünsche mir im Schulunterricht und nicht nur da! mehr Raum für Diskussionen
und Diskurse, denn ein friedlicher Diskurs auf Augenhöhe braucht Übung. Ich
wünsche mir Räume für Organisationen wie uns, um dort unsere Arbeit zu tun und selbstverständlich mehr Empathie und weniger Dogmatismus auf allen
Ebenenen. Ich wünsche mir schnelle und unkomplizierte Hilfe für die
ukrainischen Geflüchteten, aber auch für die Geflüchteten aus allen anderen
Ländern. Ich wünsche mir mehr Raum für Sport und Musik, denn in den
Generals- und Verhandlungsräumen habe ich noch nie einen Flügel oder ein
Skateboard gesehen, eigentlich nur alte Männer und Landkarten….
Meine Gedanken sind heute bei den Frauen im Iran und in Afghanistan und
den Menschen in der Türkei und Syrien.
Und ich wünsche, wünsche mir Frieden für eine freie und souveräne Ukraine.
Und ich wünschte, ich müsste heute nicht hier stehen…

Anne-Marie Braun